Raubkopierer sind Terroristen
hotgun, Montag, 26. November 2007, 23:10
von Jens Berger
„Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“
„Nur durch verschärfte Gesetze können wir den Terrorismus bekämpfen.“
„Hier geht es nur um die Abwehr von Gefahren durch den Terror und schwere organisierte Kriminalität.“
Wer den Politikern der Großen Koalition tatsächlich Glauben schenkt, denkt wahrscheinlich immer noch, das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung würde ihn nicht betreffen und nur die bösen Buben müssten nun zittern, da die Strafverfolgungsbehörden ab 2008 wirksame Mittel zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität haben. Wer so denkt, wird bereits jetzt widerlegt: Wie kaum anders zu erwarten, dauerte es nicht lange, bis aus der Politik die ersten Änderungen des Gesetzes gefordert werden.
Am 30. November wird der Bundesrat wieder zusammentreten. Dann wird auch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zur Abstimmung vorgelegt. Es ist zu erwarten, dass die Großkoalitionäre dem Gesetzesentwurf zustimmen werden. Eine Empfehlung des Rechtsausschuss des Bundesrates fordert indes sogar eine Ergänzung des Gesetzes, die auch eine zivilrechtliche Auskunft über die Bestandsdaten ermöglichen soll. Der Hintergrund ist, dass die Lobbyvertreter der Software-, Film- und Musikindustrie gerne in einem noch höheren Maße rechtlich gegen Urheberrechtsverletzungen, d.h. “Raubkopien” über Tauschbörsen, vorgehen würden.
Im ersten Halbjahr 2007 hat alleine der Lobbyverband der Musikindustrie 26.000 Strafanzeigen gegen Nutzer von Tauschbörsen eingeleitet. Auch mit der jetzigen Form des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung ist bereits eine massive Erleichterung der „Ermittlungsarbeit“ der professionellen Abmahner gegeben. Da die Provider die Personalien zu den dynamischen IP-Adressen 60 Tage speichern müssen, können die Kläger in Zukunft noch mehr Klagen erwirken. Ein Problem der Lobbyisten und Abmahnkanzleien ist es allerdings, dass viele Staatsanwaltschaften derartige Anzeigen gar nicht mehr entgegennehmen und wegen Geringfügigkeit gar nicht erst bearbeiten. Verfahren dieser Art werden strafrechtlich in den meisten Fällen komplett oder gegen die Zahlung einer geringen Spende eingestellt. Für die Lobbyisten ist vielmehr die zivilrechtliche Seite interessant. Hier winken hohe Abmahngebühren und Schadensersatzzahlungen.
In der jetzigen Form erzeugt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kein „Mehr“ an Sicherheit, sondern wird dazu führen, dass die Ermittlungsbehörden sich massiv mit Bagatelldelikten beschäftigen müssen – die Zeit, die sie für Ermittlungsarbeit in relevanten Bereichen haben, wird dadurch knapper. Wie sollen die Staatsanwaltschaften und die Kriminalbehörden „uns“ vor „bösen Terroristen“ schützen, wenn sie ihre kostbare Zeit mit der Verfolgung von Teenies verbringen müssen, die sich im Netz ihre Musik herunterladen? Dieses Problem hat auch der Rechtsausschuss im Sinn, wenn er eine Änderung des Gesetzes fordert.
Von einem alternativlosen Sachzwang zu sprechen, der eine nicht zu tolerierende Aufweichung der gesetzlichen Hürden zum Zugriff auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung bedingt, ist indes falsch. Man könnte das Gesetz auch ganz einfach in der Art abändern, dass in den Passagen des Gesetzestextes, die die IP-Datenspeicherung betreffen, schwere Straftaten als Voraussetzung für eine Herausgabe der Daten genannt werden. Dies würde die Staatsanwaltschaften und die Ermittlungsbehörden entlasten, so dass sie ihre kostbare Zeit wichtigeren Dingen widmen können, zehntausenden Teenies blieben hohe Abmahngebühren erspart und einige Angehörige des Berufszweigs der Abmahnanwälte würden gezwungen, einem rechtschaffenen Broterwerb nachzugehen.
Eine Auskunft an Abmahnanwälte ist auch aus Gründen des Datenschutzes abzulehnen. Wer garantiert dem Gesetzgeber, dass die Daten korrekt erhoben wurden und es nicht darum geht, dass IP-Adressen, die in einem ganz anderen Zusammenhang gesammelt wurden, mit den Datencontainern der Vorratsdatenspeicherung personalisiert werden? Die Aushöhlung des Gesetzes beginnt bereits zu einem Zeitpunkt, an dem es noch nicht einmal in Kraft ist – schlimmeres ist zu erwarten. Es ist an der Zeit, dass der Bürger aufwacht und Totschlagargumenten, wie „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ keinen Glauben mehr schenkt.
“Recht sichert Freiheit! Man kann Freiheit nicht sichern, in dem man Recht abbaut.”
Heribert Prantl
Quelle/Gesamter Text: www.spiegelfechter.com
„Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“
„Nur durch verschärfte Gesetze können wir den Terrorismus bekämpfen.“
„Hier geht es nur um die Abwehr von Gefahren durch den Terror und schwere organisierte Kriminalität.“
Wer den Politikern der Großen Koalition tatsächlich Glauben schenkt, denkt wahrscheinlich immer noch, das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung würde ihn nicht betreffen und nur die bösen Buben müssten nun zittern, da die Strafverfolgungsbehörden ab 2008 wirksame Mittel zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität haben. Wer so denkt, wird bereits jetzt widerlegt: Wie kaum anders zu erwarten, dauerte es nicht lange, bis aus der Politik die ersten Änderungen des Gesetzes gefordert werden.
Am 30. November wird der Bundesrat wieder zusammentreten. Dann wird auch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zur Abstimmung vorgelegt. Es ist zu erwarten, dass die Großkoalitionäre dem Gesetzesentwurf zustimmen werden. Eine Empfehlung des Rechtsausschuss des Bundesrates fordert indes sogar eine Ergänzung des Gesetzes, die auch eine zivilrechtliche Auskunft über die Bestandsdaten ermöglichen soll. Der Hintergrund ist, dass die Lobbyvertreter der Software-, Film- und Musikindustrie gerne in einem noch höheren Maße rechtlich gegen Urheberrechtsverletzungen, d.h. “Raubkopien” über Tauschbörsen, vorgehen würden.
Im ersten Halbjahr 2007 hat alleine der Lobbyverband der Musikindustrie 26.000 Strafanzeigen gegen Nutzer von Tauschbörsen eingeleitet. Auch mit der jetzigen Form des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung ist bereits eine massive Erleichterung der „Ermittlungsarbeit“ der professionellen Abmahner gegeben. Da die Provider die Personalien zu den dynamischen IP-Adressen 60 Tage speichern müssen, können die Kläger in Zukunft noch mehr Klagen erwirken. Ein Problem der Lobbyisten und Abmahnkanzleien ist es allerdings, dass viele Staatsanwaltschaften derartige Anzeigen gar nicht mehr entgegennehmen und wegen Geringfügigkeit gar nicht erst bearbeiten. Verfahren dieser Art werden strafrechtlich in den meisten Fällen komplett oder gegen die Zahlung einer geringen Spende eingestellt. Für die Lobbyisten ist vielmehr die zivilrechtliche Seite interessant. Hier winken hohe Abmahngebühren und Schadensersatzzahlungen.
In der jetzigen Form erzeugt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kein „Mehr“ an Sicherheit, sondern wird dazu führen, dass die Ermittlungsbehörden sich massiv mit Bagatelldelikten beschäftigen müssen – die Zeit, die sie für Ermittlungsarbeit in relevanten Bereichen haben, wird dadurch knapper. Wie sollen die Staatsanwaltschaften und die Kriminalbehörden „uns“ vor „bösen Terroristen“ schützen, wenn sie ihre kostbare Zeit mit der Verfolgung von Teenies verbringen müssen, die sich im Netz ihre Musik herunterladen? Dieses Problem hat auch der Rechtsausschuss im Sinn, wenn er eine Änderung des Gesetzes fordert.
Von einem alternativlosen Sachzwang zu sprechen, der eine nicht zu tolerierende Aufweichung der gesetzlichen Hürden zum Zugriff auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung bedingt, ist indes falsch. Man könnte das Gesetz auch ganz einfach in der Art abändern, dass in den Passagen des Gesetzestextes, die die IP-Datenspeicherung betreffen, schwere Straftaten als Voraussetzung für eine Herausgabe der Daten genannt werden. Dies würde die Staatsanwaltschaften und die Ermittlungsbehörden entlasten, so dass sie ihre kostbare Zeit wichtigeren Dingen widmen können, zehntausenden Teenies blieben hohe Abmahngebühren erspart und einige Angehörige des Berufszweigs der Abmahnanwälte würden gezwungen, einem rechtschaffenen Broterwerb nachzugehen.
Eine Auskunft an Abmahnanwälte ist auch aus Gründen des Datenschutzes abzulehnen. Wer garantiert dem Gesetzgeber, dass die Daten korrekt erhoben wurden und es nicht darum geht, dass IP-Adressen, die in einem ganz anderen Zusammenhang gesammelt wurden, mit den Datencontainern der Vorratsdatenspeicherung personalisiert werden? Die Aushöhlung des Gesetzes beginnt bereits zu einem Zeitpunkt, an dem es noch nicht einmal in Kraft ist – schlimmeres ist zu erwarten. Es ist an der Zeit, dass der Bürger aufwacht und Totschlagargumenten, wie „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ keinen Glauben mehr schenkt.
“Recht sichert Freiheit! Man kann Freiheit nicht sichern, in dem man Recht abbaut.”
Heribert Prantl
Quelle/Gesamter Text: www.spiegelfechter.com